GEMA zeigt bei Rech­nungs­stel­lung be­denk­li­ches Ge­schäfts­ge­bah­ren

Aus: "Informationen aus dem Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern", Heft Nr. 3/2010, S. 35

Bei Rechnungsstellung zu Veranstaltungen oder Repertoire-Auskünften im Bereich Volksmusik zeigt die GEMA regelmäßig folgendes Geschäftsgebahren: Meldet ein GEMA-Mitglied einzelne Werke/Bearbeitungen nicht bei der GEMA an, so betrachtet die GEMA diese Werke/Bearbeitungen dennoch als GEMA-vertreten und damit lizenzpflichtig. Die GEMA schließt dabei von vorne herein aus, dass es sich durchaus um ein bewusstes Nicht-Anmelden handeln kann. Sobald ein Werk bzw. eine bearbeitung mit dem Namen eines GEMA-Mitglieds in Verbindung steht, geht die GEMA davon aus, dass in ihr Repertoire eingegriffen wird.

Aus mehreren Gründen ist gerade bei Volksmusik diese Vorgehensweise der GEMA sehr bedenklich:

  • Gemäß §3 Satz 2 des UrhG sind unwesentliche Bearbeitungen eines ungeschützten Werkes nicht geschützt. Damit die Bearbeitung eines Werkes urheberrechtlichen Schutz genießt, muss diese Bearbeitung ein Mindestmaß an schöpferisch kreativer Eigenleistung beinhalten. Die GEMA ignoriert §3 Satz 2 UrhG und betrachtet alle Bearbeitungen ihrer Mitglieder als GEMA-vertreten.
    Dazu ein Beispiel: Ein GEMA-Mitglied verwendet überlieferte 2-stimmige Melodien, ergänzt im homophonen Satz eine 3. Stimme und fügt Bass und Begleitung hinzu. Im Bewusstsein, dass es sich dabei um die Ausübung musikalischen Handwerks, nicht aber um schöpferisch kreative Eigenleistung handelt, wird diese unwesentliche Bearbeitung nicht bei der GEMA angemeldet. Für die GEMA ist diese Bearbeitung dennoch GEMA-vertreten.
  • Ist ein GEMA-Mitglied als Sammler oder Herausgeber tätig, so ist dies bezüglich §3 urheberrechtlich ohne Bedeutung. Dennoch schließt die GEMA in solchen Fällen häufig auf die GEMA-Pflicht.
  • Um ein Werk/eine Bearbeitung bei der GEMA anmelden zu können, muss der Urheber/Bearbeiter die notwendigen Rechte an dem Werk/der Bearbeitung besitzen. Das ist nicht der Fall, wenn z. B.
    • ein zweiter (oder weitere) Urheber/Bearbeiter (Miturheber §8 UrhG) beteiligt ist, der die Anmeldung des Werkes/der Bearbeitung bei der GEMA im Voraus schon aus wichtigem Grund ausdrücklich ausgeschlossen hat.
    • ein GEMA-Mitglied mit Einverständnis des Urhebers ein Werk bearbeitet, der Urheber aber nicht möchte, dass die Bearbeitung der GEMA zur Verwertung übergeben wird.
    Auch in diesen Fällen geht die GEMA von der GEMA-Pflicht der Bearbeitung aus.

In all diesen Fällen missachtet die GEMA nach unserer Überzeugung geltendes Urheberrecht!

VMA/MP

Der §3 im Urheberrecht:

§3.Bearbeitungen. Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, werden unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbständige Werke geschützt.
Die nur unwesentliche Bearbeitung eines nicht geschützten Werkes der Musik wird nicht als selbständiges Werk geschützt.

Satz 2 dieses Paragraphen wurde 1985 in das Urheberrecht aufgenommen. Bearbeitungen von Volksmusik gaben dazu Anlass. Mit diesem Passus wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass ein nicht geschütztes Werk (der Urheber ist seit 70 Jahren tot, oder das Werk ist Volksgut, d.h. es ist kein Urheber bekannt) durch nur geringefügige Veränderungen wieder zu einem tantiemenpflichtigen Werk wird. Erforderlich ist vielmehr die persönliche geistige Schöpfung des Bearbeiters. Unwesentliche Bearbeitungen sind z.B. in der Volksmusik das bloße Uminstrumentieren eines überlieferten Satzes oder das Hinzufügen einer 2. oder 3. Stimme nach den Regeln der Überlieferung oder alpenländischen Mehrstimmigkeit.

Die Praxis sieht anders aus: Bei der GEMA werden Volksmusik-Bearbeitungen ohne jegliche Prüfung angemeldet. Es wird weder geprüft, ob eine persönliche geistige Schöpfung des Bearbeiters vorliegt, noch wird die Frage gestellt, ob die Bearbeitung im Sinn des Gesetzes als unwesentlich einzustufen ist. ...

VMA/MP

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